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Volker
Reichmann
Seniorenbeauftragter
Die Pflegekasse lässt vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) oder bei knappschaftlich Versicherten vom Sozialmedizinischen Dienst (SMD) ein Gutachten erstellen, um die Pflegebedürftigkeit und den Pflegeaufwand im Einzelnen zu ermitteln.
Zur Einschätzung der Pflegebedürftigkeit und Einstufung in einen Pflegegrad kommt ein Begutachtungsinstrument zum Einsatz, das von der individuellen Pflegesituation ausgeht. Es orientiert sich an Fragen wie: Was kann der oder die Pflegebedürftige im Alltag allein leisten? Welche Fähigkeiten sind noch vorhanden? Wie selbstständig ist der oder die Erkrankte? Wobei benötigt er oder sie Hilfe? Grundlage der Begutachtung ist dabei ein Pflegebedürftigkeitsbegriff, der die individuellen Beeinträchtigungen ins Zentrum stellt – unabhängig davon, ob körperlich, geistig oder psychisch bedingt.
Was zählt sind der einzelne Mensch und das Ausmaß, in dem er seinen Alltag allein bewältigen kann. Die Begutachtung führt dadurch zu einer individuelleren Einstufung. Davon profitieren etwa an Demenz erkrankte Personen mit ihrem besonderen Pflege- und Betreuungsbedarf.
Um festzustellen, wie selbstständig eine pflegebedürftige Person ist, wirft die begutachtende Person einen genauen Blick auf folgende sechs Lebensbereiche:
Modul 1 "Mobilität": Die begutachtende Person schaut sich die körperliche Beweglichkeit an. Zum Beispiel: Kann die betroffene Person alleine aufstehen und vom Bett ins Badezimmer gehen? Kann sie sich selbstständig in den eigenen vier Wänden bewegen, ist Treppensteigen möglich?
Modul 2 "Geistige und kommunikative Fähigkeiten": Dieser Bereich umfasst das Verstehen und Reden. Zum Beispiel: Kann sich die betroffene Person zeitlich und räumlich orientieren? Versteht sie Sachverhalte, erkennt sie Risiken und kann sie Gespräche mit anderen Menschen führen?
Modul 3 "Verhaltensweisen und psychische Problemlagen": Hierunter fallen unter anderem Unruhe in der Nacht oder Ängste und Aggressionen, die für die pflegebedürftige Person, aber auch für ihre Angehörigen, belastend sind. Auch wenn Abwehrreaktionen bei pflegerischen Maßnahmen bestehen, wird dies hier berücksichtigt.
Modul 4 "Selbstversorgung": Kann sich die Antragstellerin oder der Antragsteller zum Beispiel noch eigenständig waschen und anziehen, kann sie oder er selbstständig die Toilette aufsuchen sowie essen und trinken?
Modul 5 "Selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen - sowie deren Bewältigung": Die begutachtende Person schaut, ob die betroffene Person zum Beispiel Medikamente selbst einnehmen, den Blutzucker eigenständig messen, mit Hilfsmitteln wie Prothesen oder Rollator umgehen und einen ärztlichen Dienst aufsuchen kann.
Modul 6 "Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte": Kann die betroffene Person zum Beispiel ihren Tagesablauf selbstständig gestalten? Kann sie mit anderen Menschen in direkten Kontakt treten oder z.B. den Seniorennachmittag oder die Skatrunde ohne Hilfe besuchen?
Für jedes Kriterium in den genannten Lebensbereichen ermitteln die begutachtende Person den Grad der Selbstständigkeit der pflegebedürftigen Person, in der Regel anhand eines Punktwerts zwischen 0 (Person kann Aktivität ohne eine helfende Person, gegebenenfalls mit Hilfsmitteln, durchführen) und – in der Regel - 3 (Person kann die Aktivität nicht durchführen, auch nicht in Teilen). So wird in jedem Bereich der Grad der Beeinträchtigung sichtbar. Am Ende fließen die Punkte mit unterschiedlicher Gewichtung zu einem Gesamtwert zusammen, der für einen der fünf Pflegegrade steht. Hier eine Übersicht:
Kein Pflegegrad | Punktzahl unter 12,5
Keine Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
(Die Person kann alles noch selbstständig machen.)
Pflegegrad 1 | Punktzahl 12,5 bis 27
Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
(Es gibt nur wenige Sachen, die die Person nicht selbstständig machen kann.)
Pflegegrad 2 | Punktzahl 27 bis unter 47,5
Erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
(Es gibt einige Sachen, die die Person nicht selbstständig machen kann. Sie braucht ziemlich viel Unterstützung.)
Pflegegrad 3 | 47,5 bis unter 70
Schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
(Die Person hat schwere Beeinträchtigungen und kann nur noch wenig selbst machen. Sie braucht viel Unterstützung.)
Pflegegrad 4 | Punktzahl 70 bis unter 90
Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
(Die Person hat sehr schwere Beeinträchtigungen. Sie braucht Unterstützung in allen Lebensbereichen.)
Pflegegrad 5 | Punktzahl 90 bis 100
Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung
(Die Person hat sehr schwere Beeinträchtigungen. Sie braucht Unterstützung in allen Lebensbereichen und die Pflege ist schwierig.)
Zusätzlich bewerten die die begutachtende Person die außerhäuslichen Aktivitäten und die Haushaltsführung. Die Antworten in diesen Bereichen werden nicht für die Einstufung der Pflegebedürftigkeit herangezogen, weil die hierfür relevanten Beeinträchtigungen schon bei den Fragen zu den sechs Lebensbereichen mitberücksichtigt sind. Allerdings helfen diese Informationen den pflegeberatenden Personen der Pflegekasse, wenn Pflegebedürftigkeit festgestellt wurde. Sie können die Pflegebedürftige oder den Pflegebedürftigen mit Blick auf weitere Angebote und Sozialleistungen beraten und einen auf sie oder ihn zugeschnittenen Versorgungsplan erstellen. Auch für eine Pflegeplanung der Pflegekräfte sind die Informationen als Ergänzung sehr hilfreich.
Die Leistungen der Pflegeversicherung hängen davon ab, wo und von wem Sie oder eine Ihnen nahestehende Person gepflegt werden und wie groß der Unterstützungsbedarf ist.