Feierstunde legte Fokus auf 1990 - und 1975!


Unter einem besonderen Stern stand die diesjährige, öffentliche Feierstunde der Stadt Siegen zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober.

Rund 140 Gäste waren im Historischen Ratssaal zusammengekommen, um sich nicht nur mit der Deutschen Wiedervereinigung vor 35 Jahren zu befassen (zugleich 35 Jahre Städtepartnerschaft Plauen-Siegen). 

Im Fokus stand auch das diesjährige Jubiläum “50 Jahre Großstadt Siegen 1975 - 2025”. Hierzu, insbesondere zum Zustandekommen der “Siegener Einheit” (1.1.1975: Die Großstadt Siegen wurde aus der Vereinigung mit Eiserfeld und Hüttental gebildet), lieferten die beiden Redner des Festakts, Stadtarchivar Daniel Schneider und anschließend Bürgermeister Steffen Mues, viele interessante Details, mal eher historischer Natur (Archivar), mal eher anekdotisch-humorvoll, aber auch nachdenklich (Bürgermeister). 
Für die musikalische Umrahmung der Feierstunde mit anschließendem Sekt-Empfang sorgte in diesem Jahr die Chorgemeinschaft aus dem Männerchor 1853 Eiserfeld und dem Männerchor Concordia Eiserfeld unter der Leitung von Michael Bertelmann.

Stadtarchivar Daniel Schneider informierte in seinem “Impulsvortrag” zunächst über die Ziele, Entwicklungen und Ergebnisse der kommunalen Gebietsreform in Nordrhein-Westfalen und ihre konkreten Auswirkungen auf Siegen. Stark verkürzt ging es bei dem Projekt darum, größere Kommunen zu bilden, von denen man dann eine gesteigerte Effektivität erwartete. Die Planungen riefen jedoch im Siegerland erheblichen Widerstand hervor und führten mancherorts einen regelrechten Unabhängigkeitskampf aus, wie Schneider erläuterte. Denn: “Die Menschen im Siegerland wie anderswo empfanden die staatlich verordnete Fusion oder die Eingemeindung ihrer Kommune als schweren Eingriff. Rathaus, Kirche und Schule waren jahrhundertelang eine identitätsstiftende Einheit gewesen. Die Bevölkerung im Siegerland wollte ihre eigenständigen Gemeinden nicht kampflos hergeben.”

Heruntergebrochen auf Siegen, bedeutete dies: Vor allem im Siegener Süden regte sich großer Widerstand - die Vertreter von Eiserfeld legten noch im Dezember 1974 Verfassungsbeschwerde ein, die jedoch im März 1977 abgewiesen wurde. “Damit war die kommunale Gebietsreform für Siegen abgeschlossen und die Universitätsstadt Siegen, wie wir sie kennen, etabliert”, resümierte Stadtarchivar Schneider.

Bürgermeister Steffen Mues knüpfte hier an und veranschaulichte den angesprochenen “Widerstand” anhand einiger Anekdoten und Geschichten aus der damaligen Zeit, die heute mindestens kurios erscheinen. Was sich im Nachhinein als notwendiger Schritt darstellt (Mues: “Unsere Städte und Gemeinden wurden dadurch effizienter gegliedert, um den neuen Anforderungen an eine moderne Verwaltung gerecht zu werden.”), rief bei den Zeitgenossen teils leidenschaftliche Ablehnung hervor. So hatte Eiserfeld, das bekanntlich selbst erst 1966 zur Stadt aufgewertet worden war, noch kurz vor dem Jahresende 1974 eine Verfassungsklage gegen die Eingemeindung eingereicht, über die aber erst 1976 entschieden werden sollte - mit bekanntem Ergebnis.

Der eigentliche Umzug der Verwaltungsmitarbeiter mitsamt Schränken, Stühlen und jeder Menge Akten verlief im Wesentlichen problemlos. Während die meisten Dinge problemlos ihr Ziel erreichten – unter anderem wurden 120.000 Karteikarten umgelagert –, blieb zum Beispiel die Ratskette aus Hüttental verschwunden, sehr zum Bedauern des (heutigen) Siegener Bürgermeisters.
Mues: "Der Umzug war aber erst der Anfang von einem Jahr des Zusammenfindens. Vieles war vollkommen neu - der neue Arbeitsweg, die neuen Kolleginnen und Kollegen und manche neuen Abläufe. Bereits im Oktober [1975] konnte der ebenfalls neue Personalrat bei der ersten Personalversammlung nach der Vereinigung aber ein positives Ergebnis melden: Die Integration in der Verwaltung sei größtenteils abgeschlossen."

Die “Einigung” Siegens sei, so Mues, ein Prozess, der zwar nicht vor so vielen Problemen gestanden habe wie die Deutsche Einheit. Sie sei jedoch ein Prozess gewesen, der sich auch über die folgenden Jahre zog - und der “im Großen und Ganzen” gut verlaufen sei.  Heute sei man in Siegen zu einer Einheit geworden, ohne die Besonderheiten der einzelnen Stadtteile verloren zu haben.

Mit der Schlussfolgerung “Einheit und Integration darf - das können wir aus unserer Siegener Geschichte mitnehmen - nicht mit Gleichmacherei verwechselt werden”, schlug der Bürgermeister einen Bogen zur Einheit der beiden deutschen Staates, für die das auch gelte. 

Lange habe man im Westen von oben herab auf den Osten geblickt, Lebensleistungen von arbeitenden Menschen kleingeredet und vergessen, dass auch die Menschen in der ehemaligen DDR versucht hätten, aus ihren Lebensbedingungen für sich und ihre Familie das Beste zu machen. Das Gefühl, Bürger zweiter Klasse zu sein, sei bis heute präsent.

“Nach 35 Jahren sind diese Gefühle immer noch nicht verschwunden. Vielleicht sind sie sogar bei manchen in den letzten Jahren stärker geworden und haben sich in Frust gewandelt. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam weiter auf eine Einheit hinarbeiten, die nicht nur aus einem gemeinsamen Grundgesetz besteht. Lassen Sie uns vor allem hinarbeiten, Wertschätzung, Chancengleichheit und Solidarität im gegenseitigen Miteinander anzustreben und auszudrücken”, so der abschließende Appell des Siegener Bürgermeisters.